Centerverteidigung im Posting-up
Lehrprobenentwurf zur Basketball-B-Trainer-Prüfung
von Tanja Misof, Tübingen, 18. September 99
Grundlagenthema: Verteidigung am Center im Posting-up
Taktikthema: Transition-Offense / 4-3 Überzahlspiel
1 Sachanalyse
1.1 zu Defense
harakteristisch für einen Center ist das Spiel im „Posting-up“, bei dem sich der Center auf einer Linie zwischen Ballbesitzer und Korb anbietet. Die Verteidigung am Center im Posting-up wird versuchen,
das Einnehmen dieser Position zu erschweren und
ein Anspiel in dieser Position zu verhindern.
Dabei kann der Verteidiger den Center von hinten, von vorne oder seitlich decken.
Deckt der Verteidiger den Center von hinten, so nimmt er im Prinzip schon mal eine gute Ausgangsposition für das Ausblocken und den Defensivrebound ein, gibt aber auch die Möglichkeit des ungehinderten Anspiels und so zur einfachen 1-1 Situation.
Die Möglichkeiten, ein Anspiel zu unterbinden, sowie eine einigermaßen gute Reboundposition zu erkämpfen, sind in der seitlichen Verteidigungsform gegeben (closed stance). Hier kann der Verteidiger in einer Deny-Position, mit der Front zum Angreifer gerichtet, eine ½ bis ¾ Deckung spielen.
Beim „Fronting“ (fronting stance) deckt der Verteidiger den Center von vorne. Das direkte Anspiel wird optimal gestört! Man kann face-to-face, also frontal fronten. Hierbei sollte der Verteidiger jedoch auch den Ball sehen. Dabei muss er den Kopf weit drehen. Er kann aber auch den Rücken zu seinem Gegenspieler positionieren. Bei dieser Verteidigungsform, ein Arm nimmt Kontakt mit dem Gegner auf (touching), der andere Arm wird hoch in den Passweg gehalten, besteht die Gefahr des Backdoorpasses durch Lob und man ist auf die Helfer aus der Mitte angewiesen. Doch obwohl man außerdem eine ungünstige Reboundposition eingenommen hat, ist es die effektivste Art und Weise, das Anspiel auf den Center zu erschweren.
Der Verteidiger des Centerspielers versucht bereits vor dem Posting-up, dies zu erschweren. Auf dem Weg zu einer guten Position sollte der Verteidiger den Center in Räume abdrängen, in denen es wenig Chancen für eine erfolgreiche Korbwurfaktion gibt. Dies reicht jedoch schon in das Thema der Cut-Verteidigung herein und soll in dieser Lehrprobe nicht behandelt werden.
Hat der gegnerische Centerspieler den Ball erhalten, so sollte der Verteidiger einfache Würfe und einen Durchbruch zum Korb verhindern (beim Fronting: soweit das eben noch möglich ist). Hierbei spielt die Weakside-Verteidigung eine wichtige Rolle: das Helfen durch Flügel oder Center von der ballfernen Seite.
Nach einer Korbwurfaktion sollte der Centerverteidiger sofort zum Ausblocken gehen. Ausblocken wird während der Verteidigungsübungen automatisch mitgeschult, aber nicht noch einmal explizit erläutert werden.
1.2 zu Transition-Offense
Transition bedeutet das schnelle Umschalten von Angriff auf Verteidigung bzw. umgekehrt. Transition-Offense bezeichnet also den Übergang von Verteidigung in Angriff. Dieser schnelle Wechsel ist ausschlaggebend für einen guten Fast-Break. Als Grundlage der Transition zum Schnellangriff dient eine aktive und aggressive Verteidigung. Die Spieler müssen mental bereit sein, die Fehler des Gegners auszunutzen und schnell in einen Fast-Break umzusetzen.
Die Vorteile eines schnelles Umschaltens sind:
Leicht erzielbare Punkte durch Fast-Break,
Verteidigung des Gegners unter Druck setzen und zur Reaktion zwingen,
Ausschalten von Press-Verteidigungen.
Transition-Offense beginnt in dem Moment des Ballbesitzwechsels, d.h. wenn die verteidigende Mannschaft Ballkontrolle erlangt:
nach einem Defensivrebound,
durch einen Ballgewinn (Steal),
nach einem Korberfolg und Einwurf an der Grundlinie.
Voraussetzung für ein schnelles Reagieren in Umschaltsituationen ist das Mannschafts- und Raumbewußtsein und die Antizipation. Jeder Spieler muss
die eigene Position,
die Mitspieler-Position,
die Gegner-Position und
die Ball-Position
kennen.
Im Anschluss an das schnelle Umschalten von Defense zu Offense folgt der Fast-Break. Transition heisst also nicht gleich Fast-Break, sondern ist der Beginn davon. Transition sollte unbedingt zur Gewohnheit werden, so dass jeder Spieler automatisch schnell umschaltet. Die Spieler müssen lernen, schnell zu reagieren, um sich aus der Verteidigung heraus, die richtige Spur besetzend, in die andere Richtung zu orientieren. Am besten sollte im Training immer wieder ‚echte‘ Transition realisiert werden und nicht nur durch Formen des Schnellangriffs berücksichtigt werden.
2 Trainingsziele
2.1 Aufwärmen
Verbesserung der allgemeinen physischen Leistungsbereitschaft,
Verbesserung der koordinativen Leistungsbereitschaft,
Optimierung der psychischen Leistungsbereitschaft und
Schutz vor Verletzungen, außerdem
Schulung der Wahrnehmung.
2.2 zu Defense
Aktive Kontaktaufnahme mit dem Center,
Einnahme der richtigen Verteidigungsposition am Center im Posting-up und
Verhinderung des Anspiels,
Situativ richtiges Anwenden der Verteidigung im Spiel 1-1 +1 (+1+1).
2.3 zu Transition-Offense
Schnelles Umschalten von Defense zu Offense (mental und physisch).
2.4 Cool down
Aktive Wiederherstellungsmaßnahme zur schnellen Erholung.
3 Handlungsanweisung
3.1 zu Defense
Fußarbeit:
Open stance (help position): breite und stabile Fußstellung, Knie leicht gebeugt, Körperschwerpunkt tief, Balance, Fußspitzen geradeaus
Closed stance (deny): ein Bein hinter und ein Bein vor dem angegriffenen Fuß des Gegners
Fronting: mit dem hinteren Fuß aus der closed stance position einen Schritt vor den Gegner, vorderen Fuß nachsetzen, Fußspitzen zum Passgeber
Hand-/ Armeinsatz:
Open stance: Arme seitlich vom Körper
Closed stance: ballnahen Arm in den Passweg, Handinnenfläche zum Ball, Daumen nach unten, Körperkontakt mit dem angewinkelten und anliegenden ballfernen Arm (touching)
Fronting: ballfernen Arm von hinten über den Gegner rüberziehen und touching hinter dem Rücken, ballnahen Arm hoch in den Passweg
Blickkontakt/Wahrnehmung:
Schnelles Erfassen der Situation und Antizipieren von Spieler- und Ballbewegungen
Blickrichtung zum Ball, bei open und closed stance: Ball und Mann im Blickfeld (peripheres Sehen)
Nimm folgende Position ein:
Fronting: wenn der Ball beim direkten Passgeber deines Gegenspielers ist, also einen Passweg entfernt ist
Deny: wenn der Ball zwei Passwege entfernt ist
Help: wenn der Ball mehr als zwei Passwege entfernt ist
Nach erfolgreichem Zuspiel:
kommuniziere Help für deine Mitspieler
verhindere einen Durchbruch, soweit das noch möglich ist
blocke nach einem Wurf sofort aus
3.2 zu Transition-Offense
versuche zu antizipieren, was gleich passieren wird und schalte schnell auf Angriff um
4 Methodenwahl
Die Übungsformen und –inhalte werden in einem einführenden Gespräch erläutert und mittels geeigneter Demonstrationen verdeutlicht. Bei auftretenden Problemen oder Fehlern wird der Lehrprobenverlauf unterbrochen und durch weitere Erklärungen bzw. Korrekturen ergänzt.
4.1 Aufwärmen
Zur allgemeinen physischen Vorbereitung (motorische Einstimmung) erfolgen zunächst Lauf- und Dribbel-Reaktions-Spiele, die in einer eher lockeren Gangart durchgeführt werden. Diese Umschalt-Spiele dienen zur Wahrnehmungsschulung und fördern die Reaktion. Organisation: Pro Spieler ein Ball, alle dribbeln, auf ein akustisches und/oder optisches Signal müssen die Spieler einmal die Wand berühren („Feuer“), auf eine Bank steigen („Wasser“), sich auf den Boden legen („Erde“). Paarweise an der Mittellinie gegenüber legen und auf Kommando fängt der eine den anderen.
Der zweite Teil des Aufwärmens (kognitive Einstimmung) bereitet die Spieler schon auf die Transition mit nachfolgendem Spurenbesetzen im zweiten Teil des Trainings vor. Organisation: drei Spieler, ein Ball, Tipping gegen das Brett, auf ein Signal hin ist der vorderste Spieler der Rebounder, der zweite Spieler derjenige, der den Outlet bekommt und der dritte besetzt die Aussenspur. Es wird ein 3-0 Fast-Break gelaufen mit Rebound, Outlet, Dribbling in die Mitte, Pass zum Aussenspieler und Korbwurf.
Zum Abschluss folgt ein geleitetes zehnminütiges Stretching-Tonisierungs-Programm zur Verbesserung der Elastizität von Muskeln, Sehnen- und Bandapparat, Muskelerwärmung und Beweglichmachen. Die Ausführungen werden kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert.
4.2 zu Defense
In der Trainingseinheit wird zunächst ein Flügel-Center-Zusammenspiel durchgeführt, wobei das Posting-up in Low-Post-Position auf der Ball-Korb-Linie stattfinden soll.
Für die Erstellung dieser Lehrprobe habe ich mich für ein Fronting-Konzept entschieden, da es die Möglichkeit einer aggressiven Verteidigung fördert. Die Spieler müssen ihren Körper richtig einsetzen. Doch auch wenn es eine sehr kraftaufwendige Methode ist, kann man hierbei das Anspiel optimal stören. Allerdings braucht man eine gute Help-Side-Defense, die im Falle eines Lobpasses eingreifen kann.
Da die Beherrschung der Verteidigungsgrundlagen vorausgesetzt wird, beginnt die Trainingseinheit gleich mit einer ganzheitlichen Übungsform 1-1 +1+1. Der Flügelspieler versucht den Center im Posting-up anzupassen. Zunächst soll der Angreifer (Center) noch als „Hilfsmittel“ für die Verteidigung agieren. Der Centerverteidiger soll versuchen, den Gegner im Deny zuzumachen, wenn der Ball zwei Passwege entfernt ist und eine Fronting-Position einnehmen, wenn der Ball nur einen Passweg entfernt ist. Dabei wird noch nicht näher auf die richtige Fuß- und Armarbeit eingegangen, um den Spielern eine Möglichkeit zur eigenen Entdeckung und zum Experimentieren zu geben. Organisation: Aufbau zu Flügel, Passgeber wird Offense, Offense wird Defense, Defense holt den Rebound und geht auf die freigewordene Position.
Zum Erlernen der Fußarbeit in Abhängigkeit von der Ballposition wird eine Stance-and-Reaction Übung mit der gesamten Gruppe in Reihenformation durchgeführt.
Im weiteren Verlauf geht die Übung in eine Spielform 1-1 +1+1+1 über, in der der Angreifer spielnah agieren soll und der Verteidiger die eben erlernten Schrittfolgen nun direkt am Gegner erarbeiten soll.
4.3 zu Transition-Offense
Die Kenntnis des Spurenbesetzens und des Trailerspiels wird vorausgesetzt. Im Gegensatz zum Aufwärmen, in dem beim 3-0 ein Tipping vorgeschaltet wurde, wird nun im zweiten Schwerpunkt das Umschalten in Überzahlsituationen sehr spielnah geübt. Im 11-Mann-Drill kommen die Spieler direkt aus einer Verteidigungshaltung irgendwo auf dem Feld heraus und müssen sich möglichst schnell und geordnet in den Angriff begeben. Zur Motivationssteigerung werden sukzessive komplexere Übungsformen aufgeschaltet und so folgt dem 3-2-Überzahl-Spiel ein 4-3-Ganzfeld-Drill-Kontinuum, bei dem die Spieler ebenso von Defense auf Offense umschalten müssen. Diese Übungsform ist sehr motivierend, da es durch die Überzahl zu vermehrten Korberfolgen kommt. In der letzten komplexen Spielform: 4-3 +1 ist die größte Spielnähe erreicht.
Organisation I: 3 Angreifen mit einem Ball an der Mittellinie beginnend, jeweils 2 Verteidiger unter den Körben und jeweils 2 Outlet-Spieler am Seitenrand, ständige Transition nach Kampf um Rebound, realistischer Eröffnungspass („Outlet“), Angriffsspuren einnehmen, 3-2-Situation lesen und lösen.
Organisation II: (abhängig von Anzahl der Gruppe), immer 4-3, vierter Mann (=Outlet) wartet auf Seitenlinie bzw. Werfer geht noch mal mit.
Organisation III: zur Erhöhung des Zeitdrucks kann der vierte Mann nach Überqueren des Balles der Mittellinie mit in die Verteidigung kommen, dann müssen vier Spieler „echte“ Transition spielen.
Im Abschlußspiel 5-5 wird Transition noch öfter hervorgerufen, indem auf ein Signal des Trainers der Ballbesitz wechselt. Der Ball muss auf den Boden gelegt werden und es erfolgt ein möglichst schnelles Umschalten von Defense auf Offense und umgekehrt.
5 Leistungskontrolle
5.1 zu Defense
Eine eindeutige Leistungskontrolle wie z.B. Treffer in einem Wurfspiel gibt es bei der Verteidigung nicht. Trotzdem ist immer darauf zu achten, dass der Verteidiger in einer guten Position steht. Die Anspiele auf den Center können gezählt werden. Sind es relativ wenige, hat der Verteidiger gut gearbeitet.
5.2 zu Transition-Offense
Beim Umschalten ist eine Leistungskontrolle auch sehr schwierig „zu messen“. Man kann anhand von einer vermehrten Anzahl von leichten Körben nicht zwingend auf eine gute Transition-Offense schließen. Man könnte noch im Verlauf der Transition bzw. des Fast-Breaks die Position der einzelnen Angriffspieler berücksichtigen. So kann man daraus schließen, ob sich der Angreifer einen kleinen Vorsprung erarbeitet hat. Allerdings kann dieser Zustand auch an einer schlechten Transition-Defense liegen. Einen echten Leistungskontroll-Parameter zu bestimmen, ist daher nicht möglich.
6 Belastungsdynamik
6.1 zu Defense
Durch einen permanenten Wechsel zwischen Offense-Spieler, Defense-Spieler und Passgeber ist ein automatischer Wechsel zwischen Aktion und Erholung gegeben. Die Belastung ist in dieser Übungsform nicht sehr hoch, da die Übung nur an einem Korb auf einer Seite stattfindet und der Verteidiger keine großen Wege zurückzulegen hat. In der Reihenformation sind zwar alle Spieler gleichzeitig aktiv, aber diese Übung ist nur von kurzer Dauer.
6.2 zu Transition-Offense
Durch die Überzahl-Spiele über das gesamte Spielfeld ist die Belastung im zweiten Teil der Lehrprobe recht hoch. Dennoch wird durch die wechselnde Gruppenaktivität den Verteidigern eine kleine Pause gegönnt. Aufgrund der hohen Belastung werden die Überzahl-Kontinuums durch eine kurze Wurfeinheit unterbrochen.
7 Geplanter Lehrprobenverlauf:
Zeit |
Phase | Ziel | Trainingsform |
2 min |
Einführung | Informationsgabe | Kurzes Einführungsgespräch |
4 min |
Aufwärmen | Physische und psychische | Feuer, Wasser, Erde /Schwarz und Weiß |
6 min |
Aufwärmen | Einstimmung | Tipping und 3-0 |
10 min |
Aufwärmen | Elastizität, Beweglichkeit | Stretching |
5 min |
Schwerpunkt 1 | Selbständige Entdeckung | 1-1 +1+1 Fronting Defense l/r |
7 min |
Schwerpunkt 1 | Erlernen der Bewegung | Stance and Reaction Defense Footwork |
8 min |
Schwerpunkt 1 | Situative Anwendung | 1-1 +1+1+1 Help Position, Deny, Fronting |
8 min |
Zwischenblock | Erholung und Spaß | Wurfspiel von Ecken der Freiwurflinie, 10 Treffer |
10 min |
Schwerpunkt 2 | Schnelles Umschalten | 11-Mann-Drill (3-2 Überzahl) |
2 min |
Zwischenblock | Erholung + Automatisation | 3×2 Freiwürfe |
10 min |
Schwerpunkt 2 | Anwendung der Transition | 4-3 Kontinuum bis hin zu 4-3 +1 |
3 min |
Zwischenblock | Erholung + Konzentration | 4×2 Freiwürfe |
10 min |
Spiel | Anwendung | Spiel 5-5 mit Ballbesitzwechsel auf Signal |
5 min |
Ausklang | Regeneration | Cool down: Auslaufen und Dehnen |
8 Literatur
BRILL, D./PRINZ, F.: Basketball-Trainingspraxis „Die ersten Schritte…“. Langen, 1991.
BROWN, H.: Basketball coaches‘ guide: preparing for special situations. Chicago, 1997.
HAGEDORN, G./NIEDLICH, D./SCHMIDT, G.: Das Basketball-Handbuch. Reinbek, 1996.
KRAUSE, J.V./MEYER, D./MEYER, J.: Basketball Skills & Drills. 2nd Edition. Champaign, 1991.
NICKLAUS, H: Praxis Basketball. Bochum, 1993.
SCHRÖDER, J./BAUER, Ch.: Basketball trainieren und spielen. Reinbek, 1996.
WISSEL, H.: Basketball: steps to success. Champaign, 1994.