OFFENSE KONZEPTE UND PRINZIPIEN
Veröffentlicht im FIBA ASSIST MAGAZINE, 10 2004, FIBA EUROPE
OFFENSE KONZEPTE UND PRINZIPIEN
Von Dirk Bauermann
Dirk Bauermann, früher Assistant Coach der Fresno State University (U.S.), gewann als Headcoach von Bayer Leverkusen sechs Deutsche Meisterschaften und drei Pokalsiege. Er war deutscher Nationaltrainer von 1994 to 1998, sowie Trainer von Sunair Ostende (Belgien) and Apollon Patras (Griechenland). Zur Zeit ist er Coach von GHP Bamberg und deutscher Nationaltrainer.
Der folgende Artikel beschreibt einige grundsätzliche Offensekonzepte, die ich gegen Mann-Mann-Verteidigungen in den letzten Jahren benutzt habe. Sowohl das Club-Team, das ich gegenwärtig trainiere, als auch das deutsche National-Team spielen nach diesen Konzepten.
Als Trainer müssen wir unsere Angriffsstrategien ständig nach den zur Verfügung stehenden Spielern ausrichten. Ebenso müssen wir ständig neue Ideen in unsere Philosophie integrieren.
Nichtsdestoweniger haben wir aller bestimmt Überzeugungen, die die Grundlage unserer Philosophie darstellen. Ich werde einige Offense-Taktiken, Prinzipien und Vorstellungen hier umreißen.
1. VERTEIDIGUNG IST DER BESTE ANGRIFF
Ich war schon immer überzeugt, dass eine aggressive, physische Mann-Mann-Verteidigung der wichtigste Baustein zum Erfolg eines Teams ist. Idealer Weise erzielen wir wenigstens ein Drittel unserer Punkte aufgrund guter Verteidigung.
2. AUSGEGLICHENE PUNKTEVERTEILUNG
Da heute Statistiken ein bedeutendes Verkaufsargument für Agenten geworden sind, will jeder Spieler gute Statistiken, die seine Anstrengungen unterstützen. Wenn das System allen das Erzielen von Punkten ermöglicht, wird der Spieler viel größere Motivation haben, hart zu verteidigen, Rebounds zu holen, und die Drecksarbeit zu machen. Auch ist eine ausgeglichenen Mannschaft mit vielen Waffen viel schwieriger zu verteidigen, weil man sich nicht einfach auf das Stoppen der beiden Topscorer konzentrieren kann.
Befürworte ich gleiche Chancen für alle in der Offense? Nein!
Alle Rollen müssen eindeutig definiert werden, und nicht jeder bekommt die gleiche Anzahl von Würfen. Ich sehe lieber sechs Spieler mit zweistelligen Punkten als zwei mit über dreißig. Warum? Weil wir so ein besseres Offense-Team sind.
3. BEREITSCHAFT
Bobby Knight sagte einmal, dass es nicht nur der Wille zu Gewinnen, sondern auch der Wille, sich vorzubereiten, ist, der ein Team erfolgreich macht. Er meinte es mehr im Sinn von Spielvorbereitung, aber es gibt keinen Zweifel, dass wir unsere Teams für jede nur vorstellbare Möglichkeit und jede Situation vorbereiten müssen. Ich will sie bereit für alles, womit unser Gegner uns konfrontieren könnte. Ich will auch, dass sie genau wissen, was sie in kritischem Situationen im Spiel zu tun haben, (z.B., Viertelende, Spielende und andere besondere Situationen). Deshalb arbeiten wir an solchen Situationen für wenigstens fünf Minuten am Ende jedes Trainings.
Diese Art von Bereitschaft hilft Spiele zu gewinnen, weil die Spieler wissen, was zu tun ist, und weil es das Selbstvertrauen entwickelt, das man benötigt, um knappe Spiele zu gewinnen.
4. SPIELTEMPO
Ich bin überzeugt, dass ein gutes Gleichgewicht von Transition und Set-Offense ganz entscheidend für erfolgreichen Basketball ist.
Spieler müssen in der Lage sein, mit der Freiheit und der Kreativität des Fastbreak-Spiels umzugehen. Außerdem ermöglicht das Transition-Spiel leichte Punkte, die das Hauptziel einer jeden Offense sind.
Andererseits werden gute Teams deine Fastbreakgelegenheiten mit guter Wurfauswahl, intelligenten Entscheidungen, guter Angriffssicherung, und hervorragender Transition-Defense minimieren.
Daher ist die Fähigkeit eines Teams, im Halbfeld-Spiel zu funktionieren, den Ball sicher zu kontrollieren, seine Spielzüge unter Druck erfolgreich auszuführen, und kluge Entscheidungen zu treffen, von entscheidender Bedeutung, besonders in den Play-Offs.
5. OFFENSIVE STRUKTUR
a. Nach einem Defenserebound versuchen wir, innerhalb der ersten sechs Sekunden zu punkten. Wir wollen den Ball so schnell wie möglich in den Händen unseres Point Guards sehen.
Wenn ein anderer Spieler einen Rebound bekommt, und er den Ball sicher vorbringen kann, so soll er dies tun, als eine Alternative zum Outlet-Pass. Wir wollen den Ball in der Mitte des Spielfelds und wir wollen den Ball möglichst nach vorne passen. Wir wollen unsere Flügel sprinten sehen, bis sie eine aussichtsreiche Wurfposition erreicht haben. Meiner Meinung nach ist es von ganz entscheidender Bedeutung, dass die Spieler freie Mitspieler suchen und finden. Wenn sie das nicht machen, werden Flügel und Center aufhören zu sprinten. Wir wollen, dass unser nicht-reboundender großer Mann auf geradem Weg läuft, und wir schicken unseren Rebounder direkt zum Weakside-Ecke der Freiwurflinie (Bild 1).Während die Verteidigung sich beim Zurücklaufen noch organisiert, versuchen wir, aus dieser Box-Aufstellung mit schnellen Pick&Rolls, Postups, oder Skip-Pässen zu punkten (Bild 2, 3, 4, 5, 6). All dies sind einfache, aber wirksame Wege, 2-2-Situationen aus der Transition zu schaffen. Wenn die Verteidigung sich organisiert hat, und es keinen klaren Vorteil mehr für uns gibt, bringen wir den Ball zu unserem Point Guard, verändern den Rhythmus, und starten ein Set Play.
b. Nach einem Ballgewinn, versuchen wir natürlich schnell zu punkten. Wir ermahnen unsere Spieler aber, nicht überhastet zu spielen und gute Entscheidungen zu treffen.
c. Nach einem gegnerischen Korberfolg wollen wir, dass einer unserer großen Spieler so schnell wie möglich zu unserem Point Guard einwirft. Wenn wir den Gegner überraschen und schnell punkten können, großartig! Wenn nicht, gehen wir in eine bestimmte Aufstellung, die wie eine Raute aussieht und spielen dann verschiedene Optionen, je nach Ansage des Point Guards.
6. OFFENSIVES KONZEPT
Dies sind die grundsätzlichen Richtlinien für unsere Spieler, die ihnen eine Vorstellung davon geben sollen, wie wir das Spiel spielen wollen.
a. Das Hauptziel im Angriff ist es, einen Schuss für einen Mannschaftskameraden zu schaffen, nicht für sich selbst.
b. Spiele aus dem Pass anstatt aus dem Dribbling.
c. Spiele zielgerichtet.
d. Spiele den Ball so oft wie möglich zum Korb.
e. Gib dich nicht mit einfachen Jumpshots zufrieden – ziehe zum Korb, lass dich foulen, punkte von der Freiwurflinie.
f. Spiele was du kannst – KISS (Keep-It-Simple-Stupid)!
g. Abstand und Raumaufteilung.
h. Spiele immer mit Kontrolle und Können, überhaste nichts.
i. Vertraue deinen Mitspielern – Verteile den Ball und gib den Extra-Pass.
7. OFFENSIVE AUTOMATISMEN
Wie ich bereits erwähnt habe, laufen wir verschiedene Spielzüge.
Die meisten davon sind Kontinuen, bei denen wir im Prinzip von einer Option zur nächsten gehen. Die Spieler kennen diese Optionen. Wir versuchen normalerweise, den Basketball einmal um die Zone zu spielen, bevor wir tatsächlich punkten wollen. Wir versuchen zuerst, den Ball nach Innen zu passen, als nächstes suchen wir einen Jumpshot, ansonsten spielen wir ein Pick&Roll. Aber gleich was man spielt, entwickeln sich die gleichen Situationen. Mit dem, was wir „Automatismen“ nennen, versuchen wir unseren Spielern einige Grundregeln dafür zu geben, wie sie zu reagieren haben, und was sie von ihren Mannschaftskameraden in diesen Situationen erwarten können. Hier einige Beispiele:
a. Baseline drive – Baseline drift (Bild 7) Wenn ein Spieler zur Grundlinie zieht, muss sich der Flügel-Spieler auf der Weakside zur Ecke bewegen, um für einen Schuss frei zu werden.
b. Overplay auf dem Flügel: – Center auf Highpost: Flügel geht backdoor (Bild 8) – Low Post: Cut zur Freiwurflinie (Bild 9).
b. Flügel zieht zur Baseline – Center setzt sich zur Freiwurflinie ab (Bild 10).
c. Flügel zieht zur Mitte – Center geht nach Außen (Bild 11).
d. Pick&Roll von 3 mit 5, 4 cuttet zur Ecke Freiwurflinie (Bild 12).
e. Pick&Pop von 3 mit 4, 5 cuttet zur Mitte (Bild 13).
f. Lowpost-Anspiel: Passgeber cuttet zur Freiwurflinie oder Baseline während die anderen rotieren (Bild 14), oder er setzt einen Block und cuttet dann nach Außen (Bild 15) je nachdem wie die Defense reagiert.
Wir haben auch Regeln gegen Doppeln im Pick&Roll, aber ich kann sie leider in diesem kurzen Artikel nicht im Detail darstellen.
8. EARLY OFFENSE
Wie erwähnt, starten wir nach gegnerischem Korberfolg eine Art frühes Setplay. Der Point Guard bringt den Ball in der Außenspur nach vorne, und jeder Spieler läuft zu einer festgelegten Position (Bild. 16).
Wenn der Point Guard die Mittellinie erreicht, sagt er einen bestimmten Spielzug an, den wir aus dieser Rautenaufstellung spielen.
Die Spiele werden durch die Zahlen 1 bis 5 angezeigt.
Ich werde nun unser Spiel 5 und 3 umreißen, um ein Beispiel unserer bevorzugten Ball- und Spielerbewegung zu geben.
System 5 (Bild. 17, 18, und 19) hat zum Ziel, den Ball nach Innen zum Center zu bringen. Wie gesagt, wir versuchen immer, den Basketball einmal herum zu passen, bevor wir versuchen zu punkten. Nicht jede Option wird im Detail gezeigt.
System 3 (Bild. 20, 21, 22, und 23) ist eine Variante des Shuffle-Plays, das viele Teams spielen. In diesem System versuchen wir, einen Schuss für Spieler 3 zu bekommen, indem wir ihn von Innen nach Außen rotieren lassen.
9. SET PLAYS
Die meisten unserer Set Plays sind Kontinuen.
Wir spielen selten Isolation Plays oder schnelle Abschlüsse, obwohl es natürlich Situationen gibt, in denen das notwendig ist, z.B. wenn es zu lange dauert, in die normale Offense zu kommen oder wenn man kurz vor Spielende zurück liegt.
Oder man möchte einen bestimmten Spieler ausfoulen und ein Isolation Play gegen ihn starten. Wieder glauben wir an die Bedeutung von Geduld und schneller, präziser Ball- und Spielerbewegung, und unsere System-Auswahl entspricht dieser Konzeption.
Als ein Beispiel (Bild 24, 25, 26, und 27), sind hier einige Spiele, die wir für solche schnellen Situationen haben.
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